Die ethische Relevanz von Wildtierleid

Erste Version: Juli 2009; letzte Änderung: 22. April 2016

Übersetzt von Evgueni Kivman

Dies ist eine vorläufige Übersetzung des englischen Originals. Eine verbesserte Übersetzung wird in den kommenden Wochen aufgeschaltet.

Zusammenfassung

Die Anzahl der Wildtiere übersteigt bei weitem die Anzahl der Tiere in Mastanlagen, der Labortiere oder der sogenannten Haustiere. Deshalb sollten Tieraktivisten überlegen, ob sie nicht ihre Aufmerksamkeit mehr darauf lenken, Bedenken gegenüber dem Leid zu erhöhen, das in der Natur entsteht. Während es in der Theorie dazu führen könnte, auf direktem Wege humanere Ökosysteme zu entwerfen, denke ich, dass Aktivisten sich praktisch darauf konzentrieren sollten, das Bewusstsein über das Leid von Wildtieren unter anderen Aktivisten, Akademikern und anderen zugeneigten Gruppen zu erhöhen. Das massive Ausmaß des Leids, das jetzt in der Natur entsteht, ist natürlich tragisch, aber es erblasst im Vergleich zu den guten oder schlechten Dingen, die unsere Nachkommen – mit fortgeschrittenen technologischen Möglichkeiten – betreffen könnten. Ich habe z. B. die Sorge, dass zukünftige Menschen Leben auf andere Planeten streuen könnten (direkt oder indirekt) oder fühlende Simulationen erzeugen könnten, ohne sich besonders um die Konsequenzen für Wildtiere zu sorgen. Unsere Priorität Nr. 1 sollte sein, sicherzustellen, dass zukünftige menschliche Intelligenz dazu genutzt wird, Wildtierleid zu verhindern, anstatt es zu vervielfachen.

Andere Versionen dieses Artikels

Zusammenfassung, warum das Leid das Glück wahrscheinlich überwiegt

Ich persönlich glaube, dass die meisten Tiere (außer vielleicht die, die ein langes Leben haben, z. B. >3 Jahre) wahrscheinlich ein nicht lebenswertes Leben haben, denn ich würde – wenn ich es entscheiden könnte – lieber auf einige Lebensjahre verzichten, um stattdessen den Schmerz eines durchschnittlichen Todes in der Wildnis zu vermeiden, und das auch nur unter der Annahme, dass ihre Leben netto-positiv sind (was auch fraglich ist, angesichts von Kälte, Hunger, Krankheiten, Angst vor Raubtieren und all dem Rest).

Allerdings ist dieser Glauben von mir ein wenig kontrovers. Ich denke, dass die Behauptung über das zu erwartende Netto-Leid in der Natur nur eine schwächere Annahme braucht, nämlich dass fast alles vom zu erwartenden Glück und Leid in der Natur von kleinen Tieren stammt (z. B. kleinen Fischen oder Insekten). Die Erwachsenen dieser Tierarten leben maximal wenige Jahre, oft auch nur wenige Monate oder Wochen, also ist es in diesen Fällen sogar noch schwerer, mit den entsprechenden Glücksgefühlen im Leben den Schmerz des Todes wieder aufzuwiegen. Darüber hinaus sterben die meisten Babys dieser Tierarten (wahrscheinlich schmerzhaft) nur einige Tage oder Wochen nach ihrer Geburt, weil die meisten dieser Tierarten „r-selected“ sind – siehe Type III in dieser Grafik.

Siehe auch:

Einleitung

„Das Gesamtausmaß des Leids pro Jahr in der Natur ist jenseits aller anständigen Betrachtungen. Während der Minute, die ich brauche, um diesen Satz zu schreiben, werden tausende Tiere bei lebendigem Leib gegessen, andere rennen um ihr Leben, andere werden langsam von Parasiten aufgefressen, tausende sterben an Hunger, Durst oder Krankheiten.“

– Richard Dawkins, River Out of Eden[Dawkins]

„Viele Menschen betrachten die Natur aus einer ästhetischen Perspektive und denken über die Artenvielfalt oder über die Gesundheit der Ökosysteme nach, aber vergessen, dass die Tiere, die zu diesen Ökosystemen gehören, Individuen sind und ihre eigenen Bedürfnisse haben. Krankheiten, Hunger, Raubtiere, Ausgrenzung, sexuelle Frustration sind endemisch in sogenannten gesunden Ökosystemen. Das große Tabu in der Tierrechtsbewegung ist, dass das meiste Leid natürliche Ursachen hat.“

– Albert, ein fiktionaler Hund im Buch „Golden“ des Philosophen Nick Bostrom[Bostrom-Alfred]

„Der moralistische Trugschluss ist, dass das, was gut sei, in der Natur gefunden werden könne. Es liegt an der schlechten Wissenschaft der Kommentar-Stimmen in den Dokumentationen über die Wildnis: Löwen betreiben Euthanasie der Schwachen und Kranken, Mäuse fühlen keinen Schmerz, wenn Katzen sie essen, Mistkäfer recyclen Mist, um dem Ökosystem zu helfen, und so weiter.“

– Steven Pinker[Pinker]

„Menschen, die uns vorwerfen, zu viel Gewalt anzuwenden, [sollten sehen], was wir im Papierkorb lassen.“

– David Attenborough über Natur-Dokumentationen[Attenborough]

„Nach der ernüchternden Wahrheit sind fast alle Dinge, die Menschen sich gegenseitig antun, wofür sie dann erhängt oder ins Gefängnis gesteckt werden, in der Natur alltägliche Leistungen. [...] Die Sätze, die dem Lauf der Natur Perfektion zuschreiben, können nur betrachtet werden als Übertreibungen, die auf poetische Gefühle zurückgehen und einer nüchternen Prüfung nicht standhalten sollen. Niemand – religiös oder nicht religiös – glaubt daran, dass die schmerzhaften Kräfte der Natur als Ganzes betrachtet in irgendeiner Art und Weise gute Zwecke fördern, außer dadurch, dass die menschlichen rationalen Wesen dazu animiert werden, sich zu erheben und gegen sie zu kämpfen.“

– John Stuart Mill, „On Nature“[Mill]

Tierrechtsaktivisten konzentrieren ihre Bemühungen typischerweise auf Bereiche, in denen Menschen direkt mit Mitgliedern anderer Tierarten interagieren, wie etwa in Mastanlagen, in Tierversuchen, oder – in einem viel geringeren Ausmaß – in Zoos, Zirkussen, Rodeos und Ähnlichem.

Das Tierleid in der Wildnis ist selten Gegenstand von Diskussionen, selbst in der akademischen Literatur, obwohl es da einige bemerkenswerte Ausnahmen gab.[exceptions] In diesem Artikel hebe ich hervor, dass die Zahlen der Wildtiere, auf die Menschen Einfluss haben, einfach viel zu groß sind, als dass Tierrechtsaktivisten sie ignorieren könnten. Intensives Leiden ist eine regelmäßige Eigenschaft des Lebens in der Wildnis, die zwar keine schnellen Lösungen fordert, aber zumindest langfristige Forschung über Wohlergehen von Wildtieren und Technologien, die es eines Tages Menschen erlauben könnten, es zu verbessern. Ich beende diesen Abschnitt damit, dass ich Tierrechtsaktivisten dazu ermuntere, ihre Bemühungen darauf zu konzentrieren, die Bedenken gegenüber Wildtierleid unter anderen Aktivisten, Akademikern, und anderen, die damit sympathisieren würden, voranzubringen, sowohl um Forschung in diesem Bereich zu fördern, als auch um sicherzustellen, dass unsere Nachkommen ihre fortgeschrittenen Technologien dazu verwenden werden, Wildtierleid zu verringern, anstatt es unbeabsichtigt zu vervielfachen.

Wildtierzahlen

Das durch Menschen verursachte Tierleid ist riesig und Tierrechtsaktivisten haben Recht damit, über seine Ausmaße schockiert zu sein. Jedoch sind die Zahlen der Tiere, die in der Wildnis leben, auf eine erschütternde Art und Weise größer. Für grobe Populationsschätzungen siehe mein „How Many Wild Animals Are There?[Tomasik-numbers]

Wie Wildtiere leiden

Genau so wie ihre domestizierten Artgenossen sind die Leben der Tiere in der Wildnis voll mit Emotionen.[emotions] Leider sind viele dieser Emotionen sehr schmerzhaft, oft sogar sinnloserweise. Und während der Begriff „grausame Natur“ als eine Binsenweisheit gilt, kann seine viszerale Bedeutung oft übersehen werden. Unten überprüfe ich einige Details von Wildtierleiden, wohl so ähnlich, wie Tierrechtsaktivisten menschliche Grausamkeit anprangern.

Raubtier-Beute-Beziehung

Wenn Menschen sich Leid in der Natur vorstellen, ist das erste Bild, das sie vor Augen haben, wohl das Bild einer Löwin, die ihre Beute jagd. Zum Beispiel beschreibt Christopher McGowan anschaulich den Tod eines Zebras:

Die Löwin senkt ihre Säbelkrallen in das Hinterteil des Zebras hinein. Sie reißen die harte Haut auf und verankern sich tief im Muskel. Das erschrockene Tier schreit lauthals, während sein Körper auf den Boden fällt. Einen Augenblick später nimmt die Löwin ihre Klauen aus dem Gesäß und senkt ihre Zähne in die Kehle des Zebras ein und würgt den Ton des Terrors. Ihre Eckzähne sind lang und scharf, aber ein Tier so groß wie ein Zebra hat einen massiven Nacken, mit einer dicken Schicht Muskeln unter dem Gesicht, daher sind die Zähne, obwohl sie die Haut durchstechen, immer noch zu kurz, um irgendein Hauptblutgefäß zu treffen. Also muss sie das Zebra durch Erstickung töten, indem sie ihre starken Kiefer um seine Luftröhre klemmt und keine Luft mehr in die Lunge lässt. Es ist ein langsamer Tod. Wenn das ein kleines Tier gewesen wäre, z. B. eine Thomson-Gazelle mit einer Größe vergleichbar mit einem großen Hund, hätte sie durch sein Genick gebissen, ihre Eckzähne hätten dann wahrscheinlich die Wirbel oder den Boden des Schädels zerquetscht, was zu einem sofortigen Tod geführt hätte. Der Todeskampf des Zebras wird fünf oder sechs Minuten dauern.[McGowan, pp. 12-13]

Einige Raubtiere töten ziemlich schnell, wie etwa zusammenschnürende Schlangen, die die Luftzufuhr ihrer Opfer abschneiden und so Bewusstlosigkeit innerhalb einer Minute oder zwei verursachen,[eaten-alive] während andere einen eher langwierigen Tod verursachen, wie etwa Hyänen, die ein Fleischstück nach dem anderen abreißen.[Kruuk] Wildhunde schlitzen den Bauch ihrer Opfer auf,[McGowan, p. 22] Giftschlangen verursachen innere Blutungen und Lähmungen über einige Minuten,[McGowan, pp. 49] und Krokodile ertränken große Tiere in ihren Klauen.[McGowan, pp. 43]

Ein Schlangenhandbuch erklärt: „Lebende Mäuse werden um ihr Leben kämpfen, wenn sie gegriffen werden, und werden beißen, treten und kratzen, solange sie können.“[Flank] Einmal gefangen, „durchnässt die Schlange die Beute mit Speichel und zieht sie letztendlich in die Speiseröhre. Von da an benutzt sie ihre Muskeln, um die Nahrung zu zerquetschen und sie in den Verdauungstrackt zu drücken, wo sie in ihre Nährstoffe zerlegt wird.“[Perry]

Beutetiere sterben nicht immer sofort, nachdem sie heruntergeschluckt werden, was dadurch illustriert wird, dass einige giftige Molche, nachdem sie von einer Schlange verschluckt werden, Gifte ausscheiden, um ihren Fänger zu töten und wieder aus seinem Mund zu kriechen.[McGowan, pp. 59] Und bezüglich Hauskatzen hat Bob Sallinger von der Audubon Society of Portland angemerkt: „Menschen, die vom willkürlichen Töten von Wildtieren, z. B. durch Beinfallen, entsetzt sind, sollten berücksichtigen, dass die Schmerzen und das Leid, das durch jagende Katzen verursacht wird, sich nicht davon unterscheiden und dass die Auswirkungen von Beinfallen ein Zwerg dagegen sind.“[Sallinger]

Es ist möglich, dass einige Tiere nicht so intensiv durch Raubtiere leiden, wenn ausreichend Endorphine produziert werden. Ähnlich fühlen auch Menschen Schmerz oft nicht sofort nach einer Verletzung.[Wall] Aber es gibt viele Beispiele, in denen die Beute sich mit Gewalt gegen ihre Angreifer wehrt. Zum Beispiel in diesem Video schreit das Warzenschwein ungefähr 2,5 Minuten lang, während es erstickt wird. Außerdem sollte, falls Endorphine tatsächlich den Schmerz des Todes verringern, das gleiche Argument auch auf Fälle von brutal geschlachteten Nutztieren durch Menschen anwendbar sein, nichtsdestotrotz betrachten aber die meisten Tierschutzforscher schlechte Schlachtmethoden als besonders schmerzhaft.

Angst vor Raubtieren verursacht aber nicht nur unmittelbares Leid, sondern könnte auch langanhaltendes psychologisches Trauma verursachen. In einer Anxiolytika-Studie haben Forscher Mäuse für fünf Minuten lang einer Katze ausgesetzt und die anschließenden Reaktionen beobachtet. Sie haben herausgefunden, „dass dieses Modell von Mäusen, die unausweichlichen Raubtierreizen ausgesetzt sind, frühe kognitive Veränderungen hervorruft, die ähnlich sind wie die bei Patienten mit akuter Belastungsreaktion (ABR).“[ElHagePeronnyGriebelBelzung] Eine weitere Studie fand langfristige Auswirkungen auf die Gehirne der Mäuse: „Die Bedrohung durch Raubtiere führt zu signifikanten Lernschwächen im Labyrinth (16 bis 22 Tage danach) und im Test auf Wiedererkennung von räumlichen Anordnungen von Objekten (26 bis 28 Tage danach). Diese Aufdeckungen weisen darauf hin, dass Gedächtnisbeeinträchtigungen für längere Zeiträume nach Stress durch Raubtiere bestehen bleiben können.“[ElHageGriebelBelzung] In einem ähnlichen Experiment setzte Phillip R. Zoladz Ratten unausweichlichen Raubtieren und anderen Angst auslösenden Bedingungen aus, um „in der Physiologie und im Verhalten der Ratten Veränderungen hervorzurufen, die vergleichbar sind mit beobachteten Symptomen bei PTBS-Patienten.“[Zoladz]

Selbst für die Beutetiere, die keinen traumatischen Konflikt mit einem Raubtier gehabt haben, kann die von Raubtieren verursachte „Ökologie der Angst“ sehr qualvoll sein: „In Studien mit Elchen haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die Anwesenheit von Wölfen ihr Verhalten nahezu konstant verändert, da sie versuchen, Begegnungen zu vermeiden, immer Fluchtmöglichkeiten zu haben und permanent wachsam zu sein.“[Stauth]

Man kann das Argument anrücken, dass die Evolution es vermeiden sollte, Leben von Tieren für lange Zeiträume vor dem Tod übermäßig entsetzlich zu machen, denn dies könnte – zumindest bei komplexeren Tierarten – zu PTBS, Depressionen oder anderen schwächenden Nebeneffekten führen. Natürlich sehen wir empirisch, dass die Evolution in der Tat solche Störungen verursacht, wenn traumatische Ereignisse geschehen, wie z. B. der Kontakt zu Raubtieren. Aber wahrscheinlich gibt es eine sinnvolle Grenze, wie furchtbar sie die meiste Zeit sein können, wenn Tiere funktionieren sollen. Der Tod selbst ist eine andere Sache, denn zum Zeitpunkt seiner Unabwendbarkeit schränkt der Evolutionsdruck die emotionalen Empfindungen nicht mehr ein. Der Tod kann so gut wie schmerzfrei sein (für einige glückliche Tiere) oder so schlimm sein wie Folter (für viele andere). Die Evolution hat keinen Grund, den Tod daran zu hindern, unerträglich furchtbar zu sein.[Dawkins]

Tod durch andere Ursachen

Natürlich sind Angriffe durch Raubtiere nicht der einzige Grund, warum Organismen qualvoll sterben.

Tiere werden auch angeschlagen durch Krankheiten, Parasiten, die auch zu Lustlosigkeit führen, Schüttelfrost, Geschwüre, Lungenentzündungen, Hunger, Gewalt oder andere grausame Symptome, die in einem Zeitraum von Tagen oder Wochen zum Tod führen können. Vogel-Salmonellose ist nur ein Beispiel:

Die Zeichen reichen von sofortigem Tod bis zum schrittweisen Beginn von Depressionen über 1 bis 3 Tage, begleitet vom Zusammenkauern der Vögel, aufgeschüttelten Federn, Unregelmäßigkeit; Schüttelfrost, Appetitsverlust, merklich angestiegenem oder fehlendem Durst, schnellem Gewichtsverlust, beschleunigtem Atem und wässrigem gelb, grün oder blutig gefärbtem Kot. Die hinteren Federn werden von Exkrementen bedeckt, die Augen fangen an, sich zu schließen, und unmittelbar vor dem Tod zeigen einige Vögel offenbar Erblindung, Unkoordiniertheit, Wanken, Tremore, Zuckungen oder andere nervliche Zeichen.[Salmonellosis]

Andere Tiere sterben immer noch durch Unfälle, Dehydrierung während sommerlicher Dürren oder Nahrungsknappheit während des Winters. Zum Beispiel war 2006 ein harsches Jahr für Fledermäuse in Placerville, Kalifornien:

„Man kann ihre Rippen, ihre Wirbelsäulen sehen und (der Bereich), in dem der Darm und der Magen sind, ist komplett bis zum Rücken eingesunken“, sagte Dharma Webber, Gründerin der California Native Bat Conservancy. [...] Sie sagte, dass neu entstehende Mosquitos nicht genug sind, um die Kreaturen zu füttern. „Das wäre wie, wenn wir mal hier oder da ein kleines Stück Popcorn essen würden“, sagte sie.[bats]

(Natürlich ist es keine gute Nachricht für ihre Beute, wenn die Fledermäuse doch Essen haben ...)

Selbst Eisstürme können fatal sein: „Vögeln, die nicht in der Lage sind, während des Sturms einen geschützten Sitzplatz zu finden, kann es passieren, dass ihre Füße an einem Ast festfrieren oder ihre Flügel von Eis bedeckt werden, wodurch sie nicht mehr fliegen könnten. Raufußhühner ersticken oft, weil sie unter Schneeverwehungen begraben werden und von einer Eisschicht eingeschlossen werden.“[Heidorn]

Ein hartes Leben

Während der Tod oft den Höhepunkt des Leids innerhalb eines Tierlebens darstellt, ist die alltägliche Existenz auch nicht notwendigerweise angenehm. Im Gegensatz zu den meisten Menschen in der industrialisierten Welt haben Wildtiere nicht unmittelbaren Zugang zu Nahrung, wann immer sie hungrig werden. Sie müssen permanent Wasser suchen und sich schützen, während sie nach Raubtieren Ausschau halten. Die meisten Tiere können nicht nach drinnen gehen wie wir, wenn es anfängt zu regnen, oder die Heizung anmachen, wenn winterliche Temperaturen deutlich unter die gewöhnlichen Werte sinken. Zusammenfassend:

Es wird oft angenommen, dass Wildtiere in einer Art natürlichem Paradies leben und dass nur die Anwesenheit oder Einmischung von Menschen etwas wäre, was Wildtieren Leid zufügt. Diese Sicht – im Grunde nach Rousseau – stimmt nicht überein mit der Fülle an zur Verfügung stehenden Informationen aus Feldstudien über tierische Populationen. Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Raubtiere, Krankheiten und innerartliche Aggression sind einige der Faktoren, die als normale Teile der Umwelt in der Wildnis identifiziert worden sind, die bei Wildtieren regelmäßig Leid verursachen.[UCLA, p. 24]

Und dass viele Tiere diese Bedingungen scheinbar ruhig aushalten, heißt nicht notwendigerweise, dass sie nicht leiden.[BourneEtAl] Kranke und verletzte Beutetiere sind am einfachsten zu fangen, sodass Raubtiere absichtlich diese Individuen anvisieren. Als Konsequenz werden die Beutetiere, die krank oder verletzt scheinen, die sein, die meistens als erstes getötet werden. Also drängt der Evolutionsdruck Beutetiere dazu, nicht auf ihr Leid zu achten.[Nuffield, ch. 4.12, p. 66]

Auf der Grundlage von Studien zu Konzentrationen von Stresshormonen bei domestizierten und Wildtieren hat Christie Wilcox geschlussfolgert, dass „wenn wir den Tierschutz-Richtlinien folgen, die Nahrung, Wasser, Komfort und notwendige Dinge für Verhaltensausprägungen zur Verfügung stellen, dann sind domestizierte Tiere nicht nur wahrscheinlich so glücklich wie ihre wilden Verwandten, sie sind wahrscheinlich glücklicher.“ Sie hat auch beobachtet:

Die eigentliche Frage ist also, ob ein domestiziertes oder gefangen gehaltenes Tier in einem Moment glücklicher, weniger oder genau so glücklich ist als/wie sein wilder Gegenspieler. Es gibt einige Schlüsselbedingungen, von denen klassischerweise geglaubt wird, dass sie zu einem „glücklichen“ Tier führen, indem sie übermäßige Belastungen verhindern. Diese sind die Basis für die meisten Tierquälerei-Gesetze, einschließlich derer in den USA und im Vereinigten Königreich. Sie schließen ein, dass Tiere das „Recht“ haben auf:

  • Genug Nahrung und Wasser
  • Komfortable Bedingungen (Temperatur usw.)
  • Ausübung von normalem Verhalten

Wenn es aber um Wildtiere geht, ist nur das letzte garantiert. Sie müssen täglich ums Überleben kämpfen, angefangen bei der Nahrungs- und Wassersuche bis hin zur Suche nach einem anderen Individuum, mit dem sie sich paaren können. Sie haben nicht das Recht auf Komfort, Stabilität oder Gesundheit. [...] Nach den Standards, die unsere Regierungen gesetzt haben, ist das Leben eines Wildtieres Tierquälerei.

Kurze Lebenserwartung

In der Natur sind die Tierarten, die die meisten Individuen haben, wahrscheinlich die, denen es grundsätzlich am schlechtesten geht. Kleine Säugetiere und Vögel haben Lebenserwartungen von höchstens einem oder drei Jahren, bevor sie bei einem schmerzhaften Tod ankommen. Und viele Insekten zählen ihre Zeit auf Erden in Wochen statt in Jahren – zum Beispiel nur 2-4 Wochen bei der Hornfliege.[Cumming] Ich persönlich würde lieber nicht existieren, als als ein Insekt geboren zu werden, mich wenige Wochen anzustrengen, um durch die Welt zu kommen und dann an Dehydrierung oder in einem Spinnennetz zu sterben. Noch schlimmer könnte es sein, mich 12 Stunden lang gefangen in der Folterbank einer Dinoponera wiederzufinden[BBC] oder wochenlang lebend von einer Schlupfwespe gegessen zu werden.[Gould, pp. 32-44] (Andererseits ist es unklar, ob von Schlupfwespen gegessene Raupen während dieser Erfahrung Schmerz fühlen.)

Es ist wahr, dass Wissenschaftler immer noch unschlüssig sind, ob Insekten Schmerz in einer solchen Art und Weise fühlen, wie wir sie als bewusstes Leiden ansehen würden.[insect-pain] Die Tatsache, dass es immer noch ernsthafte Diskussionen darüber gibt, suggeriert uns aber, dass wir diese Möglichkeit nicht ausschließen sollten. Und wenn wir die Zahl der Insekten – 1018[Williams] – und die Zahl der Ruderfußkrebse in den Ozeanen – eine ähnliche Größenordnung[SchubelButman] – sehen, dann ist der mathematische „Erwartungswert“ (Wahrscheinlichkeit mal Menge) ihres Leidens gewaltig. Ich sollte erwähnen, dass die Stärke dieses Punktes verringert werden würde, wenn – wie es der Fall sein könnte – die „Intensität“ oder „Stufe“ der emotionalen Erfahrungen eines Tieres irgendwie von der Menge des neuronalen Materials abhängt, das für Schmerzsignale zuständig ist.

Mehr Nachkommen, als überleben

Tabellen von Lebenserwartungen bestimmter Tierarten zeigen normalerweise die Überlebensdauer von erwachsenen Angehörigen einer Tierart. Allerdings sterben die meisten Individen früher, bevor sie ihre Reife erreichen. Das ist eine einfache Konsequenz dessen, dass weibliche Tiere viel mehr Nachkommen zur Welt bringen, als überleben können, um eine stabile Population zu erhalten. Während Menschen nur ein Kind pro Fortpflanzungsperiode produzieren können (ausgenommen Zwillinge), beträgt diese Anzahl bspw. 1-22 Nachkommen bei Hunden (Canis familiaris), 4-6 Eier bei Staren (Sturmus vulgaris), 6 000-20 000 Eier bei nordamerikanischen Ochsenfröschen (Rana catesbeiana) und 2 Millionen Eier bei Jakobsmuscheln (Argopecten irradians).[SolbrigSolbrig, p. 37] Man schaue auf diese Grafik aus Thomas J. Herberts Artikel[Herbert] über r- und K-Selektion, die eine extrem hohe Kindersterblichkeit bei „r-Strategen“ zeigt. Die meisten kleinen Tiere wie Karpenfische and Insekten sind r-Strategen.

Zugegeben, es ist unklar, ob alle diese Tierarten fühlen – und noch mehr, was den Teil der Eier betrifft, die nicht schlüpfen – aber nochmal: Im Sinne des Erwartungswertes ist das Ausmaß des erwarteten Leids enorm.

Diese Strategie, „viele Kopien zu machen und zu hoffen, dass einige aufgehen“, könnte aus dem evolutionären Standpunkt sehr vernünftig sein, aber der Preis für die individuellen Organismen ist gewaltig. Aus einer Analyse über die Fürsorge-Implikationen von Populationsdynamiken schlussfolgern Matthew Clarke und Yes-Kwang Ng: „Die Anzahl der Nachkommen einer Tierart, die Eignung maximiert, könnte zu Leid führen und unterscheidet sich von der Anzahl, die das Wohl maximieren würde (im Durchschnitt oder absolut).“[ClarkeNg, sec. 4] Und im ähnlichen Artikel „Towards Welfare Biology: Evolutionary Economics of Animal Consciousness and Suffering“ schlussfolgert Ng aus dem Übermaß an Nachkommen vergleichbar mit überlebenden erwachsenen Tieren: „Unter der Annahme konkaver und symmetrischer Funtionen, die Kosten von Vergnügen und Leid in Beziehung zueinander setzen, führt die Evolutionsökonomie zu einem Übermaß an absolutem Leid gegenüber absolutem Vergnügen.“[Ng, p. 272]

In seinem berühmten Artikel „Animal liberation and environmental ethics: Bad marriage, quick divorce“[Sagoff] zitiert Mark Sagoff die folgende Passage von Fred Hapgood:[Hapgood]

Alle Tierarten reproduzieren im Übermaß, weit über ihre ökologische Nische hinaus. In einem Leben könnte eine Löwin 20 Junge haben, eine Taube 150 Küken, eine Maus 1000 Junge, eine Forelle 20 000 Kinder, ein Thunfisch oder Kabeljau 1 Million Kinder, [...] und eine Auster wahrscheinlich 100 Millionen Kinder. Wenn man annimmt, dass die Population dieser Tierarten von Generation zu Generation ungefähr gleich ist, dann wird im Durchschnitt nur ein Nachkomme überleben, um ein Elternteil zu ersetzen. All die anderen tausend oder Millionen werden auf die eine oder andere Art und Weise sterben.

Sagoff sagt weiter: „Im Vergleich zum Elend der Tiere in der Natur – wobei Menschen viel tun können, um es zu erleichtern – verblasst jede andere Form des Leidens. Mutter Natur ist so grausam zu ihren Kindern, Frank Perdue erscheint dagegen wie ein Heiliger.“

Wann beginnen Babys zu fühlen?

Der vorherige Abschnitt erklärt, dass Eltern einer r-selektierenden Tierart hunderte oder sogar zehntausende Nachkommen haben können und fast alle davon bald nach der Geburt sterben werden.

Aber eine Frage bleibt. Welcher Teil dieser Nachkommen hat zum Zeitpunkt des Todes gefühlt und welcher Teil ist unbewusst als Ei oder Larve gestorben?

Die „Aspekte der Biologie und des Wohlergehens von Tieren, die für Experimente oder andere wissenschaftliche Zwecke benutzt werden“ (S. 37-42) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EBL) untersucht, wann Föten verschiedener Tierarten anfangen, bewusst Schmerz zu fühlen.[EFSA] Dieser Artikel merkt an, dass das Alter, bei dem Bewusstsein anfängt, variiert, je nachdem ob die Tierart nestflüchtend ist (gut entwickelt während der Geburt, z. B. Pferde) oder nesthockend (immer noch in der Entwicklung während der Geburt, z. B. Beuteltiere). Nestflüchter fühlen Schmerz mit höherer Wahrscheinlichkeit schon im jüngeren Alter. Ebenso ist relevant, ob die Tierart lebendgebährend oder eierlegend ist. Lebendgebährende Tiere haben eine größere Notwendigkeit, in ihrer Entwicklung fötales Bewusstsein zu unterbinden, um Verletzungen der Mutter und Geschwister zu verhindern. Eierlegende Tiere, die durch die Schale eingeschränkt sind, haben weniger Notwendigkeit, sich vor der Geburt einzuschränken. (S. 38)

Aus diesem Grund empfiehlt der Bericht: „Wenn Bewusstsein das Kriterium für Schutz ist, dann könnten Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische und Kopffüßer daher offensichtlicher Schutz vor ihrem Schlüpfen brauchen, als Säugetiere Schutz vor ihrer Geburt brauchen.“ (S. 38) Zum Beispiel: „Sensorische und neurale Entwicklung in einem nestflüchtenden Vogel, z. B. in einem Haushuhn, ist schon einige Tage vor dem Schlüpfen entwickelt. Kontrollierte Bewegungen und koordinierte elektrophysiologische und Verhaltens-Antworten auf akustische und visuelle Reize tauchen drei oder vier Tage vor dem Schlüpfen bzw. nach 21 Tagen des Brütens auf (Broom, 1981).“ (S. 39) Im Gegensatz dazu: „Obwohl Föten von Säugetieren physische Antworten auf äußere Reize zeigen können, suggeriert das Gewicht der heutigen Erkenntnisse, dass Bewusstsein im Fötus nicht entsteht, bevor er entbunden wird und anfängt zu atmen.“ (S. 42)

Daher scheint es klar, dass viele Tiere zum Zeitpunkt ihrer Geburt leiden können, wenn nicht schon vorher.

Die Stufe der Entwicklung, bei der das Risiko [des Leidens] ausreichend dafür ist, dass Schutz notwendig ist, ist die Stufe, bei der normale Fortbewegung und sensorische Funktionen eines Individuums unabhängig vom Ei oder von der Mutter auftauchen können. Für Luft atmende Tiere ist dieser Zeitpunkt grundsätzlich nicht später als, wenn der Fötus ohne Hilfe außerhalb der Gebärmutter oder des Eies überleben könnte. Für die meisten Wirbeltiere ist die Stufe der Entwicklung, auf der es ein Risiko gibt, zu leiden, wenn mit ihnen etwas gemacht wird, der Beginn des letzten Drittels der Entwicklung im Ei oder in der Mutter. Für einen Fisch, eine Amphibie, einen Kopffüßer, einen Zehnfüßler ist dieser Zeitpunkt, wenn er oder sie imstande ist, sich selbst zu füttern, anstatt von der Nahrungszufuhr durch das Ei abhängig zu sein. [...] (S. 3) Die meisten Amphibien und Fische haben Larvenformen, die beim Schlüpfen nicht gut entwickelt sind, sich aber mit einer hohen Geschwindigkeit in der Erfahrung eines unabhängigen Lebens entwickeln[.] Diese Fische und Amphibien, die beim Schlüpfen gut entwickelt sind oder lebendgebährend sind, und alle Kopffüßer – da sie alle klein, aber beim Schlüpfen gut entwickelt sind – werden ein funktionierendes Nervensystem und das Potential für Selbstbewusstsein einige Zeit vor dem Schlüpfen haben. (S. 38)

Eine andere Betrachtung, die Schmerz vor der Geburt suggeriert, ist die Tatsache, dass viele eierlegende Wirbeltiere als Reaktion auf äußere Reize (einschließlich Vibrationen, die sich nach einem Raubtier anfühlen) auch früher schlüpfen können.

Ein Beispiel betreffend Glattechsen: „Experimente, in denen draußen Reize wie durch Raubtiere simuliert worden sind, führten zu Schlüpfungen sowohl in Nestern (in Steinkluften) als auch in Eiern, die aus Nestern herausgeholt worden waren. Der Schlüpfprozess war explosiv: Früh geschlüpfte Embryonen schlüpften in Sekunden und rannten vom Ei aus im Durchschnitt 40 cm weit.“[DoodyPaull] Frühes Schlüpfen wurde ebenso bei Amphibien, Fischen und Wirbellosen beobachtet.[DoodyPaull]

Diese Punkte suggerieren, dass ein großer Anteil der vielen Nachkommen von r-Selektoren sehr wohl bei Bewusstsein sein könnte während ihres schmerzhaften Todes nach wenigen Tagen oder sogar Stunden ihres Lebens.

Falsch eingeschätzte Ausmaße von Wohlbefinden?

Es ist gefährlich, von unserer eigenen Vorstellung, wie wir uns in der Situation fühlen würden, auf das Wohlergehen von Wildtieren zu extrapolieren. Wir können uns immenses Unbehagen vorstellen, wenn wir im Sturm einer kalten Winternacht und nur mit einem T-Shirt, um uns warmzuhalten, schlafen müssten, aber viele Tiere haben bessere Felle und können oft eine Art Unterschlupf finden. Allgemeiner gesagt erscheint es unwahrscheinlich, dass Tierarten Anpassungsvorteile dadurch erhalten würden, dass sie konstantes Elend erleiden müssten, da Stress Energieverlust verursacht.[Ng] Ebenso könnten r-Selektoren bei einer gegebenen Verletzung weniger leiden als Tiere mit einer hohen Lebenserwartung, weil r-Selektoren weniger zu verlieren haben, wenn sie große kurzfristige Risiken eingehen.[Tomasik-short-lived]

Nichtsdestoweniger sollten wir vorsichtig sein, ob wir das Ausmaß und die Stärke von Wildtierleid durch unsere eigenen Verzerrungen nicht unterschätzen. Sie, der Leser, sind wahrscheinlich im Komfort eines klimakontrollierten Gebäudes oder Fahrzeuges, mit einem relativ vollen Magen und ohne die Angst, angegriffen zu werden. Die meisten von uns im industrialisierten Westen gehen in einem relativ euthymischen Zustand durchs Leben und es ist leicht anzunehmen, dass die allgemeine Annehmlichkeit, mit der das Leben uns begrüßt, von den meisten anderen Menschen und Tieren geteilt wird. Wenn wir an Natur denken, denken wir eher an zwitscherne Vögel oder an fröhlich herumtollende Gazellen als an einen Hirsch, der bei Bewusstsein sein Fleisch abgekaut bekommt oder einen bewegungsunfähigen Waschbären, der durch Fadenwürmer befallen wurde. Und natürlich spiegeln all die erwähnten Beispiele, weil sie große Landtiere betreffen, meine menschliche Tendenz zu der „Heuristik nach Verfügbarkeit“ wider: Tatsächlich sind die meisten vorherrschenden Wildtiere kleine Organismen, viele leben im Wasser. Wenn wir an „Wildtiere“ denken, sollten wir (wenn wir die Erwartungswert-Herangehensweise bezüglich Empfindungsfähigkeit annehmen) an Ameisen, Ruderfußkrebse und kleine Fische denken, anstatt an Löwen oder Gazellen.

Einige können zu einem konkreten Zeitpunkt nicht exakt bewerten, wie sie sich insgesamt über eine lange Zeitspanne fühlen.[KahnemanSugden] Sie zeigen oft eine „rosige Aussicht“ nach zukünftigen Ereignissen und einen „rosigen Rückblick“ bezüglich der Vergangenheit, bei denen sie annehmen, dass ihre vergangenen und zukünftigen Stufen ihres Wohlergehens besser sind als das, was zum Zeitpunkt ihres Erlebens berichtet wird.[MitchellThompson] Außerdem zeigen Organismen, selbst wenn sie die Stufen ihres Wohlergehens korrekt beurteilen, oft einen „Willen zu leben“, ziemlich unabhängig von Vergnügen oder Schmerz. Tiere, die zur Einsicht kommen, dass ihr Leben nicht lebenswert ist und es deshalb beenden, scheinen sich nicht erfolgreich zu vermehren.

Schlussendlich bleibt es aber unstrittig, dass viele Tiere in der Wildnis furchtbare Erfahrungen aushalten müssen, unabhängig davon, wie gut oder schlecht genau wir Leben in der Wildnis bewerten.

Wenn Leben in der Natur so schlecht ist, warum töten Wildtiere sich nicht selbst?

  1. Verstehen Suizid nicht: Es könnte sein, dass die meisten Tiere (ausgenommen die intelligentesten Säugetiere und Vögel?) den Tod nicht verstehen, obwohl sie emotional bewusst sind. Eine Analogie wäre, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich einen Alptraum habe, aber nicht vollständig realisiere, dass ich träume, und ich nicht ausreichend Kontrolle über die Situation habe, um den Alptraum willentlich zu beenden. Ich denke, nicht-träumende Tiere haben zwar mehr Kontrolle über ihren physischen Zustand als ich, wenn ich schlafe, aber der Punkt ist, dass man Emotionen haben kann, ohne Leben und Tod zu verstehen.
  2. Wenig zu gewinnen, wenn das meiste Leid sowieso vom Tod selbst kommt: Tiere haben keine schmerzlosen Möglichkeiten, sich umzubringen. Für viele Tiere, denke ich, kommt der totale Schmerz vom Sterben. Zum Beispiel sterben viele der 1000 Nachkommen einer Käfer-Mutter innerhalb weniger Tage oder Wochen nach dem Schlüpfen. Ich denke, ihre Leben bis zum Zeitpunkt des Todes könnten zwischen Schmerz und Glück schwanken, irgendwo bei der Neutralität, also gibt es von einem frühen Suizid nicht viel zu gewinnen.
  3. Zeitliche Diskontierung: Ein Tier schafft es oft wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht, nach seinen langfristigen hedonischen Interessen zu handeln. Selbst wenn Suizid optimal wäre, könnte das Tier sich trotzdem nicht töten, weil das auf kurze Sicht schmerzhaft wäre. (Zum Beispiel, wenn mir sehr übel ist, könnte es sich besser anfühlen, sofort zu brechen, anstatt Übelkeit für weitere zwei Stunden auszuhalten, aber ich kann nie den Mut aufbringen zu brechen.)
  4. Nicht-hedonischer „Wille zu leben“: Ich denke, Tiere haben einen „Willen zu leben“, der teilweile getrennt von ihrem hedonischen Wohlbefinden ist. Tierisches Verhalten ist Integration von vielen Signalen und Gehirnsystemen, also ist es nicht überraschend, dass einige dieser Systeme gegen das Hedonisches-Wohlbefinden-Maximierungs-System agieren. Wenn Tiere nicht diesen „Willen zu leben“ hätten, würden sie wahrscheinlich nicht so effektiv überleben.
  5. Wenige Suizide in Mastanlagen: Wenn Tiere sich töten, wenn ihre Leben nicht lebenswert sind, warum sehen wir nicht mehr Suizide in Mastanlagen? Wahrscheinlich wären zumindest Hennen in Legebatterien besser dran, sich selbst zu töten? (Andererseits hat Howie Lempel mich darauf aufmerksam gemacht, dass Tiere in Käfigen vielleicht weniger dazu imstande sind, sich selbst zu verletzten als freie Tiere.)
  6. Große Tiere könnten annehmbare Leben haben: Ich denke, dass die Tiere, die potentiell Suizid in Erwägung ziehen könnten (Schmipansen??) wahrscheinlich einen guten Teil ihrer Zeit ein lebenswertes Leben haben.

Schlussendlich gibt es einige Behauptungen, dass Tiere in der Tat Suizid begehen, obwohl andere das anzweifeln. Ich persönlich bin skeptisch, weil es nicht viele gut dokumentierte Fälle von Suizid bei Tieren gibt und es einfach ist, Gerüchte über Phänomene zu verbreiten, die nicht real sind. Dennoch zweifle ich nicht daran, dass einige Tiere sich anders verhalten, wenn sie einen emotionalen Verlust erleiden.

Aber können Menschen Wildtierleid reduzieren?

Warum hat dann das Leid von Wildtieren nicht die höchste Priorität für Tieraktivisten? Ein Grund ist philosophisch: Einige glauben, dass während Menschen Pflichten haben, die Tiere, die sie benutzen oder mit denen sie zusammen leben, gut zu behandeln, Menschen keine Verantwortung gegenüber denen haben, die außerhalb ihrer Interaktionssphäre sind. Ich finde das unbefriedigend; wenn wir uns wirklich um Tiere sorgen, weil wir nicht wollen, dass uns ähnliche Organismen grausam leiden – nicht nur weil wir unser „moralisches Haus sauber halten“ wollen – dann sollte es keine Rolle spielen, ob wir eine persönliche Verbindung zu Wildtieren haben oder nicht.

Andere Philosophen stimmen dem zu, aber verteidigen die menschliche Tatenlosigkeit durch die Behauptung, Menschen seien letztendlich hilflos gegenüber dieser Situation. Als Peter Singer gefragt worden ist, ob wir Löwen davon abhalten sollten, Gazellen zu essen, antwortete er:

[...] was praktische Absichten betrifft, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir mit höherer Wahrscheinlichkeit das Netto-Tierleid erhöhen würden anstatt es zu verringern, wenn wir in der Wildnis intervenieren würden, wenn ich mir die Geschichte der menschlichen Versuche anschaue, Natur für menschliche Ziele zu formen. Löwen spielen eine wichtige Rolle in der Ökologie ihres Lebensraums, und wir können uns nicht sicher sein, welche langfristigen Konsequenzen folgen würden, wenn wir versuchen würden, sie daran zu hindern, Gazellen zu töten. [...] Daher würde ich – praktisch – definitiv sagen, dass die Tierwelt in der Wildnis allein gelassen werden sollte.[Singer]

Ich würde dem entgegenhalten, dass die meisten menschlichen Interventionen nicht dazu gedacht waren, das Wohlbefinden von Wildtieren zu erhöhen, und dennoch fürchte ich, dass viele von ihnen Wildtierleid alles in allem verringert haben, und zwar dadurch, dass sie Lebensraum verringert haben.

In einem ähnlichen Stil wie Singer regte Jennifer Everett an, dass Konsequentialisten evolutionäre Selektion gutheißen sollten, weil sie schädliche genetische Eigenschaften eliminiert:

[...] Wenn die Verbreitung der „fittesten“ Gene einen Beitrag zur Unversehrtheit sowohl des Raubtieres als auch des Beutetieres leistet, was gut für das Gleichgewicht zwischen Raubtieren und Beutetieren im Ökosystem ist, was wiederum gut für die Organismen ist, die darin leben, usw., dann werden die sehr ökologischen Beziehungen, die ganzheitliche Umweltaktivisten als intrinsisch wertvoll ansehen, auch von Tierschützern als wertvoll angesehen werden, weil sie – wenn auch indirekt und über komplexe Kausalketten – letztendlich förderlich für das Wohlergehen individueller Tiere sind.[Everett, p. 48]

Diese Autoren haben Recht, dass die Betrachtung langfristiger ökologischer Nebenwirkungen wichtig ist. Dennoch folgt nicht, dass Menschen keine Pflichten haben, was Wildtiere angeht, oder dass Unterstützer von Tieren zu der natürlichen Tierquälerei schweigen sollten. Die nächsten Unterkapitel führen näher aus, wie Menschen tatsächlich etwas gegen Wildtierleid tun können.

Menschen haben bereits einen Einfluss auf die Natur

Ich stimme zu, dass wir vorsichtig sein sollten, was Interventionen betrifft, die vermeintlich dazu geeignet sein sollen, Probleme schnell zu beheben. Ökologie ist extrem kompliziert und Menschen haben eine lange Geschichte damit, die unvorhergesehenen Konsequenzen zu unterschätzen, auf die sie bei Versuchen, Verbesserungen an der Natur vorzunehmen, treffen. Auf der anderen Seite gibt es schon viele Fälle, in denen wir heute schon in irgendeiner Art und Weise in die Tierwelt in der Wildnis eingreifen. Tyler Cowen hat festgestellt:[Cowen, p. 10]

In anderen Fällen greifen wir in die Natur ein, ob wir das gut finden oder nicht. Es ist keine Frage von Unsicherheit, die uns von der Kontrolle abhält, sondern davon, wie man eine Form der Kontrolle mit einer anderen vergleichen kann. Menschen verändern Wassestände, düngen den Boden, beeinflussen klimatische Bedingungen und tun viele andere Dinge, die das natürliche Gleichgewicht beeinflussen. Diese menschlichen Handlungen werden nicht bald verschwinden, aber in der Zwischenzeit müssen wir ihre Auswirkungen auf Carnivore und ihre Opfer untersuchen.

Eine solche Untersuchung wurde tatsächlich durchgeführt, es ging um eine Entscheidung der Australischen Regierung, überbevölkerte und hungernde Kängurus auf einer Armeebasis der australischen Streitkräfte zu erlegen.[ClarkeNg] Obwohl freilich geschmacklos und theoretisch, zeigt die Analyse, dass die Werkzeuge der Wohlfahrtsökonomie mit den Prinzipien der Populationsökologie kombiniert werden können, um nichttriviale Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie menschliches Eingreifen in die Natur das Komplex des Wohlbefindens von Tieren beeinflusst.

Betrachten wir ein anderes Beispiel. Menschen versprühen jedes Jahr 3 Milliarden Tonnen Pestizide,[Pimentel] und ob wir daran glauben oder nicht glauben, dass das zu mehr Wildtierleid führt, als es verhindert, ist die großflächige Verwendung von Insektiziden gewissermaßen eine vollendete Tatsache der modernen Gesellschaft. Wenn hypothetisch gedacht Wissenschaftler Wege finden könnten, dass diese Chemikalien schneller oder weniger schmerzhaft wirken, dann könnte einer enormen Anzahl von Insekten und größerer Organismen ein etwas weniger qualvoller Tod gegeben werden. (Man beachte, dass Pestizide das Netto-Leid von Insekten verringern können, wenn sie Insektenpopulationen hinreichend verringern, daher ist die Förderung von humaneren Insektiziden nicht äquivalent zur Förderung von weniger Pestizid-Einsatz. Tatsächlich könnten Bio-Farmen große Mengen von Insektenleid beinhalten, sowohl wegen der höheren Population als auch, weil Bio-Kammerjäger-Methoden ziemlich schmerzhaft sein könnten. Ich bin dennoch immer noch sehr unsicher bezüglich dieser Frage.)[Tomasik-insecticides]

Menschliche Veränderungen der Umwelt wie Landwirtschaft, Urbanisierung, Abholzung, Verschmutzung, Klimawandel usw. haben große Konsequenzen, sowohl negative als auch positive für Wildtiere. Zum Beispiel „Paradies [oder eher Hölle?] pflastern, um einen Parkplatz zu bauen“ verhindert die Existenz von Tieren, die ansonsten dort gelebt hätten. Selbst dort, wo Lebensräume nicht zerstört werden, könnten Menschen die Zusammensetzung der Tierarten, die dort leben, verändern. Wenn zum Beispiel eine angreifende Tierart eine kürzere Lebenserwartung und mehr nicht überlebende Nachkommen hat als ihr einheimischer Gegenspieler, dann wäre das Ergebnis mehr absolutes Leid. Natürlich könnte das Gegenteil genau so einfach der Fall sein.

Die Sorge um Wildtierleid sollte nicht verwechselt werden mit der allgemeinen Sorge um mehr Umweltschutz; tatsächlich könnte in einigen oder sogar vielen Fällen die Verhinderung von Existenz die humanste Option sein. Konsequentialistische Vegetarier sollten diese Argumentationsstruktur nicht ungewöhnlich finden: Das utilitaristische Argument gegen Massentierhaltung ist gerade, dass ein Brathähnchen besser dran gewesen wäre, gar nicht existiert zu haben, anstatt 45 Tage lang vor der Schlachtung unter beengten Bedingungen zu leiden. Natürlich könnten selbst bei der Entscheidung, ob eine vegetarische Ernährung angefangen werden soll oder nicht, die Auswirkungen auf Wildtiere wichtig sein und manchmal auch wichtiger als die direkten Auswirkungen auf Nutztiere selbst.[MathenyChan]

Andererseits sollten wir, bevor wir bezüglich der Beseitigung von natürlichen Ökosystemen zu übereifrig werden, auch bedenken, dass viele andere Menschen Wildnis schätzen und es gut ist zu vermeiden, sich Feinde zu machen oder das eigentliche Ziel, Leid zu vermindern, dadurch zu beschmutzen, dass man dieses Ziel auf die genaue Gegenseite dessen stellt, was Menschen wichtig ist. Außerdem könnten viele Formen des Umweltschutzes, insbesondere die Eindämmung des Klimawandels, für die ferne Zukunft wichtig sein, indem man die Aussichten auf Kompromisse zwischen den großen Weltmächten verbessert, die künstliche Intelligenz entwickeln.

Eine Forschungsagenda

Wildtierleid verdient ein ernsthaftes Forschungsprogramm, das sich mit Fragen wie diesen befasst:

  • Welche Tiere sind empfindungsfähig? Welche subjektiven Wahrscheinlichkeiten sollten wir für die Empfindungsfähigkeit von Reptilien, Amphibien, Fischen und verschiedenen Wirbellosen benutzen?
  • Welche Arten von emotionalen Zuständen haben Tiere im Verlauf des alltäglichen Lebens in der Wildnis? Wie oft fühlen sie Hunger, Frost, Angst, Glück, Zufriedenheit, Langeweile, intensive Qualen und zu welchem Ausmaß? Pablo Stafforini hat vorgeschlagen, dass es eines Tages möglich werden könnte, diese Frage mithilfe von tragbaren Messgeräten, die durchgehend neurale Korrelate von hedonischen Erfahrungen aufzeichnen, mit großer Genauigkeit zu beantworten. Aber bis dahin können wir auch in hohem Maße von der Verwendung von Standardwerkzeugen profitieren, die Wohlergehen von Tieren messen.[Broom]
  • Wie ist das gesamte Gleichgewicht zwischen Glück und Leid für verschiedene Tierarten? Wie hängt das ab von ihrer Lebenserwarung und davon, ob sie vor Erreichen ihrer Reife sterben? Sind gewisse Tierarten glücklicher als andere? Beinhalten bestimmte Typen von Ökosystemen weniger absolutes Leid als andere? Welche Umweltschutzbemühungen erhöhen und welcher verringern das Gesamtwohl von Tieren?
  • Gibt es langfristige Technologien, die es schlussendlich Menschen ermöglichen würden, erfolgreich Wildtierleid ernsthaft zu verringern?

Fortgeschrittene Technologien?

Heute haben Menschen nicht das Wissen oder die technischen Möglichkeiten, um ernsthaft das Problem des Wildtierleids ohne möglicherweise katastrophale Konsequenzen zu „lösen“. Jedoch könnte dies in der Zukunft anders sein, wenn Menschen ein tieferes Verständnis von Ökologie und Bewertung von Wohlbefinden entwickeln.

Wenn Empfindungsfähigkeit im Universum nicht selten ist, dann erstreckt sich das Problem des Wildtierleids über unseren Planeten hinaus. Wenn es unwahrscheinlich ist, dass Leben eine Art von Intelligenz wie bei Menschen entwickelt,[Drake] könnten wir erwarten, dass die meisten existenten Außerirdischen auf der Entwicklungsstufe der kleinsten, am kürzesten lebenden Kreaturen auf der Erde sind. Daher könnte es eine große Wohltat sein – wenn Menschen jemals Roboter in den Weltraum schicken –, sie dazu zu nutzen, Wildtieren auf anderen Planeten zu helfen. (Man hofft, dass Einwände von tiefen Ökologen in Bezug auf Interventionen in außerirdischen Ökosystemen bis dahin beseitigt werden.)

Dennoch sollte ich anmerken, dass schnellerer technologischer Fortschritt im Allgemeinen nicht notwendigerweise wünschenswert ist. Vor allem in Bereichen wie künstlicher Intelligenz und Neurowissenschaften könnte schnellerer Fortschritt das Risiko von Leid anderer Arten beschleunigen. Als eine allgemeine Heuristik, glaube ich, könnte es besser sein, vor der Entwicklung von Technologien, die große Mengen neuer Macht entfesseln, zu warten, bis Menschen die sozialen Institutionen und die Weisheit haben, um den Missbrauch dieser Macht zu unterbinden.

Unbeabsichtigte Vervielfachung von Leid

Während fortgeschrittene Zukunftstechnologien vielversprechend sind, was Hilfe für Wildtiere angeht, tragen sie ebenfalls Risiken, die Grausamkeit der natürlichen Welt zu erhöhen. Zum Beispiel ist es absehbar, dass Menschen eines Tages im „Terraforming“-Prozess erdähnliche Umweltbedingungen auf den Mars übertragen könnten.[Burton] Andere haben „directed panspermia“ vorgeschlagen: Man könnte direkt biologisches Material durch die Galaxie auf andere Planeten senden.[Meot-NerMatloff] Computersimulationen könnten ausreichend genau werden, sodass die Wildtiere, die sie beinhalten, bewusst leiden könnten. Bereits jetzt sehen wir viele Simulationsmodelle von natürlicher Selektion, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis diesen KI-Fähigkeiten hinzugefügt werden, sodass die Organismen, die betroffen sind, empfindungsfähig werden und im wahrsten Sinne des Wortes den Schmerz ihrer Verletzungen oder ihres Todes spüren werden. All diese Möglichkeiten hätten ungeheuere ethische Implikationen, und ich hoffe, dass bevor sie durchgeführt werden, zukünftige Menschen ernsthaft die Folgen solcher Handlungen für die betroffenen Lebewesen betrachten werden.

Aktivisten sollten sich auf Aufklärungsarbeit fokussieren

Was impliziert das alles in Bezug auf die Tierbewegung? Ich denke, der beste erste Schritt, den wir jetzt gehen können, um Wildtierleid zu vermindern, ist, das Interesse für dieses Thema zu erhöhen. Wenn mehr Menschen über Wildtierleid nachdenken und es wichtig finden, wird es mehr Forschung über den Schutz von Wildtieren und damit verbundene menschliche Technologien geben, während zur selben Zeit auch dafür gesorgt wird, dass unsere späten Nachkommen sorgfältig über Handlungen nachdenken, die mehr leidende Organismen produzieren würden.

Vermutlich wäre es ein guter Startpunkt, Unterstützer innerhalb der Tierbewegung zu finden. Während einige Aktivisten sich gegen jegliche menschliche Interventionen in die Angelegenheiten von Tieren stellen und es teilweise sogar bevorzugen würden, wenn Menschen gar nicht existiert hätten, sollten viele Menschen, die Mitgefühl mit Angehörigen anderer Tierarten haben, Bemühungen begrüßen, Grausamkeiten in der Wildnis zu verhindern. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Tierrechtsbewegung nicht darin endet, ihre Unterstützung in Bezug auf Maßnahmen zur Erhaltung der Wildnis und menschliche Nicht-Einmischung jeglicher Art zu erhöhen. Eine andere mögliche Quelle für Unterstützer könnten Menschen sein, die sich für Evolution interessieren und verstehen, was Richard Dawkins die „blinde, schonungslose Gleichgültigkeit“ der natürlichen Selektion nannte.[Dawkins, p. 133]

Individuen können viel tun, um das Thema eigenständig aufzuwerten, zum Beispiel:

  • in Tierrechtsforen posten und Blogkommentare schreiben;
  • an Tierrechts-Treffen oder -Veranstaltungen teilnehmen und Teilnehmer fragen, was sie denken;
  • Konferenzartikel, Zeitschriftenartikel oder Bücher über das Thema schreiben (vermutlich zusammen mit Ökologen, Verhaltensforschern oder anderen Wissenschaftlern, um sicherzustellen, dass die Arbeiten nicht ausschließlich im Philosophie-Bereich landen).

Es könnte gefährlich sein, das Wildtier-Thema aufzuwerfen, bevor die allgemeine Öffentlichkeit dafür bereit ist. Tatsächlich wird die Grausamkeit der Natur oft als eine Reaktion von Fleischessern gegen konsequentialistischen Vegetarismus verwendet. Die Behauptung, dass die ethische Berücksichtigung von Tieren von uns verlangen würde, Ressourcen in langfristige Forschung zu investieren, die darauf ausgerichtet ist, Wildtieren zu helfen, könnte Menschen endgültig abstoßen, die ansonsten zumindest den Tieren, die sie durch ihre Ernährungsentscheidungen beeinflussen, Beachtung geschenkt hätten.[Greger]

Ich denke, die Aufklärung über Wildtiere sollte in Gemeinschaften beginnen, die bereits möglichst empfänglich sind, wie etwa Philosophen, Tieraktivisten, Transhumanisten und Wissenschaftler. Wir können Samen dieser Idee säen, sodass sie zu einer Komponente der Tierrechtsbewegung wächst. Ich denke auch, die Aufforderung „verbreitet Wildtierleid nicht großflächig“ könnte selbst an Orten wie TED oder Slate genannt werden, gerade weil es eine kontroverse Idee ist, die Menschen bislang nicht gehört haben. Für Zuhörer aus solchen Gruppen würde das Thema aber im „far mode“ auftauchen, würde nicht mit ihrem täglichen Leben interferieren und könnte daher mit geringerem Widerstand in Betracht gezogen werden.

Es ist wahr, dass die meisten Menschen noch nicht die moralische Dringlichkeit, Wildtierleid zu verringern, befürworten. Sie könnten vorher andere Schritte benötigen, wie etwa sich für nichtmenschliche Tiere überhaupt zu interessieren. Die Tierbewegung ist wie ein Wurm: Jedes Körperteil muss sich langsam auf seinem Weg nach vorne zum nächsten Schritt bewegen. Aber der Kopf des Wurms muss auch in die richtige Richtung zeigen. Die Menschen in dieser Hinsicht zu inspirieren, die bereit dafür sind, ist wie, die Richtung zu steuern, in die der Kopf des Wurms zeigt.

Es ist äußerst wichtig, dass die Tierbewegung an irgendeinem Punkt über die Tiere auf Farmen, in Experimenten und Haustiere hinaus geht. Das Ausmaß der Brutalität der Natur ist zu gewaltig, um es zu ignorieren, und Menschen haben die Pflicht, ihre astronomisch seltene Position sowohl als intelligente als auch als empathische Kreaturen zu nutzen, um Leid in der Wildnis um so viel wie nur möglich zu reduzieren.

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